Drais
Drais
Erinnern für die Zukunft
Engagement gegen das Vergessen

Beschaulich am Ortsrand von Drais liegt der kleine Friedhof, der zu einem Besuch einlädt. Ruhig ist es hier, wenn man von einem gedämpften Verkehrsrauschen absieht, das wohl von der L 427 kommt. In der Straße „an der Markthalle” selbst herrscht nur Anliegerverkehr. Normalerweise halten sich nie mehr als drei oder vier Personen gleichzeitig hier auf. Manche kommen einfach nur, um innezuhalten, andere sind mit der Grabpflege beschäftigt, ein tiefer Frieden liegt über der Stätte.

Aber am 7. Juni 2018 sieht man doch etwas nicht Alltägliches. Was machen die Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Mainz, der Ortsvorsteher des Ortsteils Drais, Uniformierte der Reservistenkameradschaft Finthen sowie einige Zuschauer an einem Donnerstag auf dem Friedhof in Drais?

Sie nutzen die Gelegenheit, eine für die Stadt Mainz ungewöhnliche, aus der Routine fallende Handlung abzuschließen, der Reservistenkameradschaft Finthen wurde die Patenschaft für ein Grab eines in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs gefallenen Soldaten auf eben diesem Friedhof übertragen.

Wie kam es eigentlich zu dieser Handlung? Blenden wir einmal zurück:

Auf dem Friedhof in Drais finden wir ein Grab mit einem eisernen Kreuz – ein Soldatengrab. Dieses Grab ist liebevoll gepflegt, ein frischer Blumenstrauß, ein Grablicht, schon etwas ungewöhnlich, sollte die Stadt Mainz....

Mitnichten, es kümmert sich eine engagierte Dame aus der Nachbarschaft um dieses Grab.

Neben der gepflegten Bedeckung ist es vor allem der sanierte Grabstein, der auf das Schicksal des Soldaten aufmerksam macht. So hatte Frau Annetrud Silz auf eigene Kosten den Grabstein instand setzen, die Inschrift nachziehen und den Stein von Moos und Flechten befreien lassen lassen, die Grabtafel wurde wieder wie neu.

Wir können lesen, dass Wilhelm Kammerbauer, noch nicht einmal 42 Jahre alt, 51 Tage vor Ende der der bewaffneten Auseinandersetzungen, den Tod als Soldat fand.

Der tote Kamerad in dem Grab erinnert auf erschütternde Art und Weise an eine schreckliche Zeit. Er ist aber auch ein eindrucksvolles Zeichen an die Zukunft, eine Verpflichtung zum Frieden in Freiheit und zur Versöhnung zwischen den Völkern.

Drais
Grab Wilhelm Kammerbauer

Charles de Gaulle hat den Völkern eine ewig-gültige Mahnung ins Stammbuch geschrieben: »Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.« Und Karl Theodor Körner (deutscher Dichter und gefallen im Befreiungskrieg 1813) mahnte »Vergeßt die treuen Todten nicht und schmücket auch unser Grab mit einem Eichenkranz«.

Die Reservistenkameradschaft Finthen machte sich diese Mahnung zu eigen und mit einem Vorstandsbeschluss vom Juli 2017 begann die Umsetzung und der Marsch durch die Institutionen.

Es wurde ein langer Weg, viele Vorurteile mussten beseitigt, viele Steine aus dem Weg geräumt werden. Die allgemeine Feststellung: „In Rheinland-Pfalz ist vieles anders” wurde mehr als einmal zur Tatsache. Kleines Beispiel gefällig?

Die Pflege und Instandhaltung von Kriegsgräbern wird in dem Gräbergesetz geregelt, ist somit eine hoheitliche Aufgabe und liegt in der Zuständigkeit des Ministers des Inneren.

In Rheinland-Pfalz ist diese Aufgabe der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion übertragen. Mit der Ausnahme Mainz, hier sind die Mainzer Wirtschaftsbetriebe verantwortlich. Viele Telefonate und Schreiben waren nötig, um diesen Sachverhalt zu klären. Ein besonderer Dank geht auch an den Herrn Sebastian Trüb (Abteilungsleiter Friedhof und Bestattung), der sich mit Elan und Engagement unserer Sache annahm.

Und noch eines, es ist vielen im Umland und vor allem in den Institutionen der Stadt Mainz der Unterschied zwischen den Finther Reservisten und der Reservistenkameradschaft Finthen nur mit viel Mühe zu vermitteln.

Aber schließ- und endlich, auch mit der Unterstützung unseres Oberbürgermeister Michael Ebling, wurde es zu einem guten Ende gebracht. Der Vertrag war verhandelt und unterschrieben, der Termin für die Übergabe festgelegt und am 07. Juni 2018, 13 Monate nach dem Vorstandsbeschluss der Reservistenkameradschaft Finthen, die Übergabe besiegelt.

Die Vorstandsvorsitzende der Mainzer Wirtschaftsbetriebe, Frau Jeanette Wetterling ließ es sich nicht nehmen, die Urkunde dem Vorsitzenden der Reservistenkameradschaft Finthen, dem Obergefreiten d.R. Udo Veit, zu übergeben.

Einhergehend mit der Urkundenübergabe wurde von allen Seiten betont, dass die Patenschaft das Bestreben nach sich zieht, etwas gegen eine menschliche Schwäche, der man oft unterliegt - das Vergessen - zu unternehmen.

Drais
Udo Veit * Jeanette Wetterling * Hartmut Frerichs * Annetrud Silz * Norbert Solbach

Abgeschlossen wurde das Zeremoniell mit einem stillen Gedenken der Anwesenden und dem Gedicht con Bertold Brecht, geschrieben 1938 unter dem Eindruck der Nachwehen des Ersten Weltkrieges und dem Wissen um das Wesen seiner Mitmenschen

„an die Nachgeborenen”

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut in der wir untergegangen sind,

Gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen sprecht:

Auch der finsteren Zeit der ihr entronnen seid.

Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd durch die Kriege der Klassen, verzweifelt, wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.

Dabei wissen wir doch:

Auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge.

Auch der Zorn über das Unrecht

Macht die Stimme heiser.

Ach, wir die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird, dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist

Gedenkt unsrer

Mit Nachsicht.

Drais

Die Reservistenkameradschaft Finthen trägt in ihrem Namen den Begriff „Kameradschaft” und das ist eine Verpflichtung.

Die Reservistenkameradschaft Finthen will mit ihrem Engagement den gefallenen Kamerad aus der Anonymität holen und im Gedächtnis verankern. Es wird keine Analysen, keine Anklagen und auch keine Auf- und Abrechnungen geben, vielmehr soll der Mensch, der Kamerad unter dem Grabstein seine Würde zurückerhalten mit dem Respekt, der ihm gebührt.

Drais

Und damit beginnt der zweite Teil,

Fragen und Antworten.

Kamerad Wilhelm Kammerbauer,
wer bist Du?

Auf dem Grabstein finden wir:

Name:Wilhelm Kammerbauer
Geburtsdatum:27. 7. 1903
letzte Einheit:Nachschub Kompanie 17/III
gefallen am:10. 3. 1945

Mit Hilfe des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und der Deutschen Dienststelle (ehemals WASt Wehrmachtauskunftstelle) konnte der Name und das Geburtsdatum verifiziert werden. Aber, die Einheit war weder dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge noch der Deutschen Dienststelle bekannt. Auch das Wehrmachtslexikon führt diese Einheit nicht.

Im ersten Augenblick schien es sie nicht gegeben zu haben. Es konnte aber ein erstes Bild des Gefallenen erarbeitet werden, hilfreich waren hier die Daten seiner Erkennungsmarke:

-117-Flak.schw.Trp.Bttr.1/132

die Daten waren dem Oberkommando der Wehrmacht übermittelt worden und daraus ergibt sich, dass er seine militärische Laufbahn bei der schweren Flak-Abteilung 132 begonnen hat. Aber dazu später mehr. Es konnten auf jeden Fall schon mal sein Dienstgrad, sein Geburtsort und sein Sterbeort eingebracht werden.

Aber aus den Daten des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und den Daten auf dem Grabstein ergab sich schon eine erste Differenz. Insgesamt war das erste Bild aber schon aufschlussreicher.

Name:Wilhelm Kammerbauer
Dienstgrad:Stabsgefreiter
Geburtsdatum:27. 7. 1903
Geburtsort:Bad Tölz
letzte Einheit:Nachschub Kompanie 17/III
Verband/Truppe:schwere Flak-Abteilung 132
gefallen am:10. 3. 1945
Ort:Ober-Olmer Wald
Gefallen am, was ist richtig?

Es stehen hier zwei Daten zur Diskussion, der 10.3.1945 auf dem Grabstein und der 17.3.1945 aus den Unterlagen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Deutschen Dienststelle, wobei eine Kriegssterbefallerklärung Wilhelm Kammerbauer (noch) nicht zu finden ist.

Auf der Grundlage der Genfer Konventionen vom 27.07.1929 übernahm das Oberkommando der Wehrmacht im September 1939 die Fürsorge über die Gräber von verstorbenen und gefallenen Wehrmachtangehörigen und der Toten der Gegnerstaaten, ernannte Wehrmachtgräberoffiziere, die bis zum 01.10.1939 ihre Tätigkeit aufzunehmen hatten.

Anmerkung: Im Anfang der Dienstanweisung für den Wehrmachtsgräberoffizier (erlassen am 25. 1. 1942 ) ist zu lesen: „Achtung auch vor dem gefallenen Gegner ist selbstverständliche Pflicht.”

Es waren erfahrene Offiziere, die für eine Frontverwendung infolge ihres Alters nicht mehr voll in Betracht kamen. Sie waren für die Sicherung und Kennzeichnung der Gräber und Meldung der Personalien der Toten mit Grablageangabe an das Armee-Oberkommando zuständig.

Beim Auffinden nicht zur eigenen Truppe gehörender, toter Soldaten hatte der Gräberoffizier diesen mit vermutetem Truppenteil und Datum an den nächsthöheren Gräberoffizier zu melden. Dieser hatte die Meldung zu prüfen, zu erfassen und den Abteilungen des Heeres, der Kriegsmarine, der Luftwaffe, der Waffen-SS, des RAD, der OT usw. (je nach Zugehörigkeit) und auch den weiteren zuständigen Stellen zu melden.

In der Regel sollten die Gefallenen in ihren Heimatort überführt werden, was aber selten möglich war. So wurde oft die Bestattung von einzelnen Gefallenen auf einem nahegelegenen Friedhof durchgeführt.

Eine Beerdigung auf dem Feld war aber nur dann der Fall, wenn der Transport auf einen Friedhof aufgrund der Entfernung, oder Kampfhandlungen oder sonstiges nicht möglich war.

Die Dienstanweisung für den Wehrmachtsgräberoffizier war in dieser Beziehung eindeutig, eine Begründung für die Einebnung der Soldatengräber auf den Friedhöfen ist nicht gegeben.

Die Ausgestaltung der Gräber, wie Einfassungen und Grabstein, war vorgeschrieben, allerdings abhängig von der Teilstreitkraft und wurde in der Regel einem örtlichen Betrieb übertragen. Hier gab es dann ab und zu auch noch Änderungen, oft abhängig vom vorhandenen Material.

In verschiedenen Publikationen hält sich immer noch die Überzeugung, dass alle Gefallenen auf dem Feld beerdigt wurden und in den Gräbern auf den Friedhöfen nur leere Särge liegen.

Für das Datum gefallen am 17.03.1945 spricht auch eine Sterbekarte Wilhelm Kammerbauer in Bald Tölz, übermittelt vom Stadtarchivar Bad Tölz Sebastian Lindemeyr. Ob diese Sterbekarte dem Gefallenen auf dem Draiser Friedhof zuzuordnen ist, kann im Augenblick noch nicht geklärt werden, der Name Kammerbauer ist in der Region sehr häufig.

Die Gemeinde Drais hat 1953 dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge eine Gräberliste übersandt, in der das Datum 17.03.1945 verzeichnet ist. Die Vermutung liegt doch sehr nahe, dass es einen Fehler beim Auftrag an den Steinmetz oder beim Steinmetz selbst gegeben hat und das Gefallen-Datum eher der 17.03.1945 ist.

Die Einheit, etwas verwirrlicht?

Als letzte Einheit ist auf dem Grabstein die Nachschub-Kompanie 17/III verzeichnet. Eigentlich klar und dann doch nicht. Die Einheit ist weder beim Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge noch bei der Deutschen Dienststelle bekannt. Auch das Wehrmachtslexikon hat keinen Eintrag in der Datenbank. Als hätte es diese Einheit nicht gegeben.

Es mussten andere Quellen gefunden werden.

Die Einheit, etwas verwirrlicht?

In der Stempeldatenbank der Philatelisten wird ein Aufgabestempel, Tagesstempel unter der Feldpostnummer 46805 mit der Verwendungszeit 1.10.1940 bis 21.5.1945 einer „Luftwaffen-Nachschub-Kompanie 17/III” zugeordnet. Die Benummerung .../III lässt vermuten, das es sich um eine Einheit aus dem Luftgau-Kommando III handelt. Dieses Kommando ging aus dem Luftgau-Kommando IV hervor und wurde im Februar 1944 westwärts (wohin auch immer) verlegt. Pikanterweise ist der letzte Kommandeur (Genenalleutnant Walter Boenicke) bekannt, über den Einsatzort gibt es keine verifizierbaren Daten.

Damit aber nicht genug: im National Archiv Washington gibt es unter der Record Group 242 als Microcopy (Mikrofiche) T-321 den Eintrag, dass diese Einheit in Stalingrad gefangen genommen wurde.

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Auszug aus NAW - Datenbank

Wenn das stimmt, ist diese Einheit später neu aufgestellt worden, denn im März 1943 war die Schlacht um Stalingrad zu Ende. Die ebenfalls in diesem Datensatz erwähnte „Nachschub-Kolonnen-Abteilung der Luftwaffe 1/III“ ist im Januar 1943 bei Stalingrad vernichtet worden, wird später nie wieder erwähnt (liegt vielleicht auch im Umfang einer Kolonnen-Abteilung mit 4 Offizieren, 5 Unteroffizieren und 9 Mannschaften). Eine tiefer gehende Anfrage an National Archives and Records Administration blieb bislang ohne Antwort.

Laut dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (Band LP Seite 199), gibt es 1944 vermisste deutsche Soldaten der Nachschub-Kompanie 17/III, mit Ortsangabe Krim / Sevastopol, also auch weit weg vom Ober-Olmer Wald.

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Die Flak Truppe, quo vadis?

Die Flakartillerie war schon immer ein „Wanderverein”, die Abteilungen zogen ja immer mit ihren Truppenteilen mit. Da wundert es auch nicht, dass, da nach dem Vertrag von Versailles Deutschland keine Flak-Truppe aufstellen durfte, die Flakartillerie als Fahrabteilung getarnt (Reichswehrministerium) 1935 in der Luftwaffe etabliert wurde.

Wie schon erwähnt, hat Wilhelm Kammerbauer seine militärische Laufbahn in der schweren Flak-Abteilung 132 begonnen. Dieser Verband wurde am 26. August 1939 in Leipzig auf- und der 1. Abteilung Flak-Regiment 13 unterstellt. Bis Juli 1942 agierte dieser Verband unter dem Namen „Reserve Flak Abteilung 132“ vor allem im Raum Berlin und wurde dann zur schweren Flak-Abteilung 132 (Ortsfest) umgewandelt.

Die Kriegsstammrollennummer (nicht zu verwechseln mit der Wehrstammrollennummer) -117 deutet daraufhin, dass er mit zu den ersten Soldaten dieses Verbandes gehörte.

Im September 1944 wurde der Verband zur Westfront in Marsch gesetzt, das Ziel ist nicht definiert und im Dezember 1944 finden wir die schwere Flak-Abteilung 132 als 1. Abteilung Flakregiment 39 wieder, der Stationierungsort ist (noch) unbekannt.

Es spricht einiges dafür, dass dieser Verband zum Schutz des Flugplatzes Mainz-Finthen (eigentlich Fliegerhorst Schafheide Ober-Olm) eingesetzt wurde. Denn seit dem 9. Februar 1940 war der Stab Flakregiment 39 in Mainz stationiert. Der Stab Flakregiment 39 wurde auch unter dem Namen „Flak-Regiment Mainz-Wiesbaden” geführt, während die „Flak-Gruppe Mainz” durch das Flak-Regiment 189 gebildet wurde.

Alles noch klar?

Nebenbei war die 1. Abteilung Flakregiment 39 die bewegliche (mot) Abteilung und in Teilen dauernd an den verschiedenen Brennpunkten eingesetzt, so in Frankreich und auf den Kanalinseln, unter dem Flakführer Norditalien bei Anzio-Nettuno und dann 1944 im Raum Sienna und Anfang 1945 im Ruhrgebiet.

Danach findet man den Verband wieder in der Flak-Gruppe Mainz. Die Vermutung liegt nahe, dass die 1. Abteilung Flakregiment 39 zu mindestens in Teilen in den Ober-Olmer Wald verlegte.

Jetzt wird es chaotisch oder ist das inzwischen Normalzustand?

Die Reichsregierung hat Ende 1944 angeblich, nach Einschätzung vieler Historiker, kein Vertrauen mehr in die Jagdwaffe, stellt aber am 26. Januar 1945 das IX. Fliegerkorps (Jagd) durch Umbenennungen und aus der 9. Fliegerdivision neu auf, dem auch das Nachtjagdgeschwaders 4 (Mainz-Finthen) unterstellt wird.

Die I. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 6, gebildet am 1. August 1943 durch die Umbenennung der IV. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 4 und stationiert in Mainz-Finthen, wird dann ab März 1944 fast im Wochentakt von Fliegerhorst zu Fliegerhorst verlegt, an Kampfaufträge ist gar nicht mehr zu denken.

Der Einsatz der I. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 6 erfolgt endgültig ab September 1944 vom Fliegerhorst Groß-Sachsenheim aus, aber nur nur mit einem Teil. Während der der dauernden Verlegungen erreicht die I. Gruppe am 18. Juni 1944 wieder Mainz-Finthen und einige Maschinen und Besatzungen verbleiben einfach im Ober-Olmer Wald, sind schon am 19. Juni auf dem Fliegerhorst Deelen nicht mehr dabei.

Der Schutz des Fliegerhorstes Schafheide Ober-Olm wird 3 Batterien des Flakregiments 39, Flak-Booten der Wasserschutzpolizei und einer Heeres Flugabwehrabteilung übertragen.

Während die Heeres Flugabwehrabteilung bereits am 2. Februar 1945 ihre Stellungen am Flugplatz Finthen aufgibt, verbleiben Teile des Flakregiments 39 noch am Standort und versuchen in Zusammenarbeit mit dem MG-Bataillon 66 die Stellung zu halten.

Im März 1945 erfolgt dann ein Verlegebefehl und am 16. März 1945 beginnt ein Nachkommando mit der Sprengung der letzten Bauten.

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Jetzt wird es tragisch, denn während am 16. März so gut wie alles über den Rhein entkommen ist, fällt Wilhelm Kammerbauer am 17. März, wahrscheinlich als Mitglied des Nachkommandos.

Sein Tod - vollkommen sinnlos.

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Vorläufiges Résumé
Was wir bislang sicher wissen, ist:
DraisWilhelm Kammerbauer wurde am 27. 7. 1903 in Bad Tölz geboren;
DraisWilhelm Kammerbauer begann seine militärische Laufbahn in der schweren Flak-Abteilung 132;
DraisWilhelm Kammerbauer fiel als Stabsgefreiter;
DraisWilhelm Kammerbauer fiel im Ober-Olmer Wald;
DraisWilhelm Kammerbauer wurde auf dem Draiser Friedhof bestattet.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Stabsgefreite Wilhelm Kammerbauer im März 1945 noch Angehöriger eines Flak-Verbandes war.

Was wir bislang wissen ist, eine Nachschub Kompanie 17/III, oder auch Luftwaffen-Nachschub Kompanie 17/III ist nie in der Nähe des Ober-Olmer Waldes nachgewiesen worden.

Es kann eine Versetzung gegeben haben, aber das ist jeweils ein Verwaltungsakt, besonders wenn es sich um eine „artfremde” Versetzung handelte. Wenn bis 1945 etwas funktionierte, dann war es die Verwaltung. Die Personalverwaltung in der Wehrmacht fand an verschiedenen Stellen statt: bei den Wehrersatzdienststellen, bei den Ersatztruppenteilen, bei den Feldtruppenteilen und in den Personalämtern der Oberkommandos. Die Kriegsstammrollenblätter der gefallenen, verstorbenen, vermissten, verwundeten und versetzten Soldaten wurden als Verwaltungsakt abgeschlossen und der zuständigen Wehrersatzdienststelle übersandt. Heute liegen diese Unterlagen bei der Deutschen Dienststelle und dort ist nichts bekannt.

Natürlich gab es die Möglichkeit, dass ein Soldat einfach von einer Einheit einfach „eingesammelt” wurde, aber bei einem über 40jährigen Stabsgefreiten sehr unwahrscheinlich, zumal wo sollte diese Einheit auf einmal hergekommen sein.

Im Zug des „Ausblutens” der Wehrmacht ging man dazu über, Soldaten aus fremden Bereichen einfach einzusammeln, der sogenannte „Heldenklau”. Hat es auch gegeben, aber das betraf aber in erster Linie Dienststellen, die sich zum Ende des Krieges in einer kaum zu überschauender Vielzahl gebildet und meistens keine eigentliche Aufgabe mehr hatten. Sie beschäftigten sich nur noch mit sich selbst und banden knapp werdendes Personal.

Das waren Panzereinheiten ohne Panzer, fliegende Gruppen ohne Flugzeuge, Versorgungseinheiten ohne Fahrzeuge und viele mehr. Es gab ganze Stäbe, die keine Truppe mehr aber dafür luxuriöse Ausstattung ihrer Gefechtsstände hatten Diese meist rückwärtigen Stäbe und Dienststellen waren personell erheblich überbesetzt und es zeichnete sich die Gefahr einer Entfremdung zwischen Front- und Etappentruppen ab.

Dem wurde dann durch Sonderbeauftragte für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes mit Feldjägerkommandos entgegengesteuert, die dann alles an die Front schickten.

Stichwort: „Unruh-Kommision”, benannt nach dem General Walter von Unruh, der mit einem Adjutanten und einem Ordonnanzoffizier, zwei Schreibern und fünf Fahrern sich durch die Stäbe schlug und diese „auskämmte”.

Wilhelm Kammerbauer war Stabsgefreiter. Der Stabsgefreite der Wehrmacht war ein Spezialist, beispielsweise Kraftfahrer geschützter Fahrzeuge, Bediener von Waffensystemen, Instandsetzer technischer Systeme (Funkgeräte, optische und elektronische Aufklärungsmittel usw.) und noch so einiges mehr. Der Stabsgefreite musste nicht die Dienstgrade Gefreiter - Obergefreiter - Hauptgefreiter durchlaufen, wenn er die nötige (auch zivilberufliche) Ausbildung und Qualifikation hatte, erhielt er diesen Dienstgrad. Und vor allem: kein verantwortlicher Truppenführer im Einsatz ließ gut ausgebildete Soldaten gehen oder sich „klauen”, er hatte ja einen Auftrag zu erfüllen, irgenwie zu erfüllen.

Es sind noch viele Fragen offen, es kommen immer noch einige dazu, aber die Reservistenkameradschaft Finthen hat ein Versprechen gegeben und das wird sie halten.

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Krupp-Flak im Kaliber 8,8 Zentimeter. Foto aus Oorlogsmuseum Overloon
(Hartmut Frerichs)

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